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Taktik als Spiel - Wie wir die Spielintelligenz und das taktische Verständnis von Kindern spielerisch schulen

04 March 2024

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Wenn ein junger Spieler den Ball immer nur annimmt und gleich wieder abspielt, bleibt er in seiner technischen und auch taktischen individuellen Entwicklung stehen. Was ist bei so einer Spielform mit Finten, sich drehen, sich wenden? Mit Dribblings? Solche Bewegungsabläufe kommen nicht vor und können somit auch nicht erlernt werden. Die Individualität, die Kreativität und die Entwicklung im technischen Bereich bleiben bei einem Training, welches ausschließlich auf ein einziges taktisches System ausgerichtet ist, auf der Strecke.

Schaut man bei den Profis genau hin, sind schnelle Pässe und Stellungsspiel übrigens nur die Grundlage für das taktisch anspruchsvolle Spiel. Ein Philipp Lahm beispielsweise benutzt permanent das Abkappen und Eindrehen, weil es megaeffektiv ist. Solche Bewegungen muss ein Trainer den Kindern jedoch erstmal beibringen. Sie müssen erst das gesamte technische Repertoire beherrschen, bevor sie dann von einem bestimmten Spielsystem taktisch reglementiert werden. Es ist wie beim Klavierunterricht. Da fange ich ja auch erst einmal mit Fingerübungen an und nicht damit, eine Sinfonie einzustudieren. Viele E-Jugend-Trainer machen den Fehler, dass sie ein solches modernes Spielsystem sehen und versuchen, es für ihre Mannschaft zu übernehmen. Sie trainieren fast ausschließlich schnelles Passspiel. Keiner dribbelt mehr. Dabei wäre es in diesem Ausbildungsabschnitt viel besser, verspieltes Spielen mit den Kindern zu trainieren und Platz für Kreativität zu lassen.

Oft hört man auch, dass Lizenzvereine darauf drängen, dass die Jugendspieler bis in die unteren Jugendmannschaften hinein das taktische System der Herrenmannschaft übernehmen, um sich später problemlos in das taktische System der Herren einfinden zu können. Ein großer Fehler. Warum bringt man Kindern nur ein taktisches System bei? Warum schult man sie nicht in unterschiedlichen taktischen Systemen, so dass sie die Stärken und Schwächen der Spielsysteme am eigenen Leib erfahren und hinterfragen können? Auf diese Weise entwickelt sich die Spielintelligenz viel stärker, als wenn ich die Kinder ausschließlich in ein einziges taktisches System presse. Und außerdem: wer sagt denn, dass ein heute 15 Jähriger in fünf Jahren dieses System noch spielen wird? Mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es dann einen neuen Profitrainer und der hat seine eigenen, ganz anderen Vorstellungen?! Und was ist, wenn der heute 15 Jährige in fünf Jahren zu einem anderen Verein mit einem anderen taktischen System wechselt? Man tut ihnen schlicht keinen Gefallen...

Wissenschaftlich ist längst belegt, dass sich mit einem differenziellen Training stets bessere Ergebnisse erzielen lassen, als mit einem monotonen. In einer Studie, in der die Treffergenauigkeit von Fußballern beim Torschuss nach einem monotonen und einem differenziellen Training untersucht wurde, schnitten die Fußballer, die differenziell trainierten signifikant besser ab. Mit anderen Worten, wer mit seinen Spielern wochenlang ausschließlich  Flachschüsse ins rechte Eck trainiert, wird gegen Spieler, die auf Kommando mal links unten, mal rechts oben oder mittig treffen müssen, in einem Wettbewerb Wer trifft öfter ins rechte untere Eck verlieren. Obwohl die Spieler im Monoton-Training zuvor wesentlich öfter aufs rechte untere Eck geschossen haben als die differentiell trainierten. Der Mensch lernt durch immer neue Herausforderungen besser.

Hinzu kommt, dass sich der Fußball ständig weiter entwickelt. Was nützt es, Kinder nach einem heute modernen System auszubilden, das in zehn Jahren vielleicht schon wieder längst überholt ist? Wir brauchen intelligente Fußballer, die mit dem gesamten fußballerischen Handwerk vertraut sind. Die in der Lage sind, innerhalb kurzer Zeit jedes gewünschte System einzustudieren und die auf dem Platz die Spielweise des Gegners lesen und richtig darauf reagieren können. Weil sie eben nicht nur mit einem, sondern mit verschiedenen Spielsystemen vertraut sind. Und weil sie genau deswegen auch das technischen Rüstzeug haben, auf möglichst viele Umstellungen reagieren zu können. Ohne Technik keine Taktik. Ein simpler Grundsatz in der Trainingswissenschaft. Und genau darauf muss unsere Ausbildung junger Fußballer abzielen.

Wir haben es an dieser Stelle schon mehrfach erwähnt: allein die Entwicklung der letzten zwei Jahre hat gezeigt, dass der moderne Fußball taktisch immer dynamischer wird. Gute Mannschaften laufen längst nicht mehr mit einem starren 4-3-3 oder 4-4-2 aufs Feld und halten 90 Minuten daran fest. Nein, sie justieren ihr Spielsystem ständig neu. Einerseits, um sich auf den Gegner einzustellen, der sich taktisch vielleicht anders verhält, als im Vorfeld erwartet, oder aber um für den Gegner weniger berechenbar zu sein und ihn so gar nicht erst ins Spiel kommen zu lassen. Spielerische Dominanz definiert sich heutzutage längst nicht mehr über die Körperlichkeit, sondern vor allem über die taktischen Fähigkeiten einer Mannschaft.

Doch wie bringen wir Kindern taktischen Fußball überhaupt bei? Videoanalysen? Wo fängt man wie an? Welche Mittel gibt es, welche Kniffe?

Das versuche ich euch in einem zweiten Teil näher zu bringen.

Bis dahin eine gute Fußballzeit!

Euer Michi

Trainer: Michael Schuppke
Dipl. Sportwiss. Leistungssport Fußball
UEFA A-Lizenz
ehem. Athletik- und Rehatrainer TSV 1860 München
Partner Münchner Fussball Schule
Inhaber MFSFussballtraining.TV
Inhaber MFSPRO
Tags: #Jugendfußball, #Kindertraining, #Taktiktraining
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